Der Hype um Graspapier und Kartonagen aus Gras - Kritik
Nicht nur in Supermärkten finden sich die ersten Verpackungen aus Gras; auch Druckereien werben mit der Umweltbilanz dieses Rohstoffs und auch großindustriell soll dieses Produkt eingeführt werden. Es wird als umweltfreundlich und nachhaltig angepriesen.
Dabei handelt es sich bei Graspapier um einen alten Hut, zu dem bereits im 17. und 18. Jahrhundert geforscht wurde. Auch damals ging es schon darum, Alternativen zum Rohmaterial Holz zu finden, da die Rohstoffe für die Papierherstellung oft knapp waren. Der Bedarf dürfte im Vergleich zur heutigen Zeit wohl als verschwindend gering angesehen werden können, doch erst im 21. Jahrhundert wird das Thema wieder aufgegriffen und als „neue Erfindung“ verkauft.
Doch wie nachhaltig ist Graspapier wirklich und ist es eine echte Alternative?
Positiv hervorzuheben ist, dass bei der Herstellung von Graspapier der Energieaufwand geringer ist, als bei der Herstellung aus dem Rohstoff Holz. Dies liegt daran, dass bei Holz ein Faserstoffaufschluss notwendig ist, um es weiterzuverarbeiten. Holz ist ein fester Rohstoff, der Kittsubstanzen enthält, die zunächst aufgelöst werden müssen, was bei Gras nicht erforderlich ist.
Beworben wird Graspapier auch damit, dass der Bedarf am Zellstoffanteil geringer ist, als bei herkömmlich hergestelltem Papier. Allerdings bleibt dabei zu berücksichtigen, dass dies auch zu einer geringeren Festigkeit des Papiers führt und es bei dem hochwertigen Bedrucken von Graspapieren einem speziellen Verfahren bedarf.
Anbieter des Papiers heben auch hervor, dass der Rohstoff ohne Chemie auskommen würde und das Gras von Flächen stamme, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden. (Quelle: https://printelligent.de/umweltfreundlich-drucken-mit-graspapier/) Aber wie sieht es denn damit aus, wenn die Nachfrage steigt? Genügen die bisher nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen dann noch aus, um den Bedarf zu decken? Angeblich ja, da um jede Papierfabrik in Deutschland mehr als 150.000 Tonnen Gras verfügbar seien.
Die führenden Supermarktketten in Deutschland haben bereits mehrere Millionen Obst- und Gemüseschalen aus Graspapier für den Biobereich im Einsatz. Dabei wird nicht darüber gesprochen, wie ökologisch und nachhaltig es ist, diese wohl bisher auch nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen abzumähen und wie das z.B. mit Werbekampagnen für Blühflächen oder der Förderung von Ausgleichsflächen in der Landwirtschaft zu Zwecken der Revitalisierung im Einklang zu bringen ist.
Sicherlich ist es sinnvoll, nach alternativen Rohstoffen Ausschau zu halten, die unserem Planeten weniger schaden. Aber es sollte kein Etikett der „Nachhaltigkeit“ und des „Umweltbewusstseins“ vergeben werden, wenn es am Ende dann darum geht, dass das Konsumverhalten beibehalten werden kann, jedoch kein Umdenken der Menschen stattfindet.
Vorzuziehen ist in jedem Fall zunächst der maximale Einsatz von Altpapier, bevor neue Ressourcenquellen angezapft werden. Denn erst dann macht der Einsatz von Gras als Rohstoff im Bezug auf Nachhaltigkeit einen Sinn. Und dabei sollte sich der Verbraucher weder auf Studien verlassen, die von Produzenten des Papiers selbst in Auftrag gegeben werden, noch sich von Zahlen und Hochrechnungen blenden lassen.